Verächtlich reden Autokraten von Demokratien als „Verunmöglichern“ („Impossibilismus“), weil in Demokratien zu viele Rücksichten genommen werden. – Und eine Autokratie wie China wird wegen unabsehbarer Erfolge bewundert. – Doch die Fragen, die an Autokratien zu stellen sind, sind nicht: Was machen sie möglich, sondern: was richten sie dadurch an – und was entgeht ihnen? – Und nicht: Wie sind sie? Sondern: Wie werden sie sein?
Auf wessen Kosten ermöglichen Autokratien, was Demokratien erschweren? Auf Kosten von Minderheiten oder Bündnisgenossen und auf Kosten der Korrektive und der Zukunft? – Und wenn sie heute so glänzend dastehen: wo stehen sie übermorgen?
Autokratien und Günstlingswirtschaft gehen Hand in Hand. – Günstlinge reden ihren Herren nach dem Munde. Unangenehme Worte werden bestraft, bestenfalls mit Karriereknick, schlimmstenfalls mit Kerker. Die fehlende Realitätsprüfung macht Autokraten mehr und mehr zu Phantasten. Bestenfalls gerät ihr Land nur ins Hintertreffen, schlimmstenfalls zieht es die halbe Welt mit eine Katastrophe, wie Hitlerdeutschland.
Der Starke ist am dämlichsten allein. Darin besteht die Aporie der Autokratie: So an sich zu glauben, wie es nötig ist, um Autokrat zu sein, macht zum Autokraten untauglich.
Zitat von Minxin Pei, Professor für Politikwissenschaften, aus dem „Tagesspiegel“ über den amtieren Autokraten Chinas:
„Da Xi die politische Macht in seinen Händen konzentriert hat, hat sich die Art der Entscheidungsfindung geändert. Wer die Politik beeinflussen will, muß sich nun Zugang zu Xi selbst verschaffen und wird daher dazu neigen, nur Informationen zu liefern, die ihm gefallen. Xis Intertoleranz gegenüber Abweichungen und seine Empfindlichkeit gegenüber Hiobsbotschaften haben seine Regierung viel anfälliger für politische Fehlentscheidungen gemacht. Schlimmer noch: da ein starker Mann das Image weitgehender Unfehlbarkeit aufrechterhalten muß, werden sogar manche offensichtlich ineffektive und kontraproduktive Maßnahmen nicht rückgängig gemacht.“
(Minxin Pei, „Quittung für den Alleinherrscher“ in: Tagesspiegel, 22.12.2019)
(Der Beitrag war ursprünglich ein Kommentar zum Artikel „Die Sehnsucht nach dem starken Mann“ in „Der Spiegel“, Nr. 24 / 9.6.18)